SI-Screen: elderly interaction & service assistant

[toc]Das AAL-Forschungsprojekt Social Interaction Screen hat das Ziel die soziale Interaktion älterer Menschen mit ihrer Familie, Freunden und Bekannten aus der näheren Umgebung zu erleichtern und zu mehr realer sozialer Aktivität anzuregen. Vor diesem Hintergrund entsteht das nutzerorientierte soziale Interaktionswerkzeug elisa mit einer innovativen Benutzerschnittstelle für die Interaktion mittels dem Social Web. In diesem Beitrag stellen wir die Vision und die zentralen Konzepte von SI-Screen vor.

Ausgangssituation

Aktuell finden in ganz Europa im Rahmen des AAL Joint Programme umfangreiche Aktivitäten statt, um die Lebensqualität einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft durch die Entwicklung neuer Technologien nachhaltig zu sichern. Das Ziel dieser Bemühungen besteht darin, neue Dienstleistungen und Technologien und insbesondere IKT zu entwickeln, um älteren Menschen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes, unabhängiges und sozial integriertes Leben in ihren eigenen vier Wänden zu ermöglichen.

Das Ziel des AAL-Projektes SI-Screen ist die soziale Interaktion älterer Menschen mit ihrer Umwelt zu vereinfachen und zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund arbeiten zehn europäische Partner an elisa, einem Tablet-Computer dessen Benutzerschnittstelle ganzheitlich auf die Bedürfnisse von Senioren ab Rentenalter ausgelegt ist. Die Interaktion und Kommunikation mit Familie und Freunden erfolgt unter Zuhilfenahme des Social Webs, mit dem Anliegen die soziale Bindung von Senioren zu fördern.

SI-Screen Vision

Die Benutzerschnittstelle von Desktop-Rechnern, Smartphones, Tablets etc. wurde vorwiegend für Personen konzipiert, die mehrere Stunden am Tag mit diesen Geräten arbeiten und den unterschiedlichsten Tätigkeiten nachgehen. Das Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten reicht vom Stöbern im Internet über Dokumentenverarbeitung bis hin zur Anwendungsentwicklung.

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Der Nachteil für ältere Menschen besteht darin, dass sie durch die Vielzahl an Möglichkeiten überfordert sein können, insbesondere wenn sie zuvor keine oder nur wenig Erfahrung im Umgang mit Computern besitzen. Bei ihrer gezielten Suche nach Information oder Unterstützungsfunktion können sie beispielsweise die Orientierung verlieren oder die Angst aufkommen versehentlich einen „falschen“ Knopf zu drücken. Unsere Umfragen in Deutschland und Spanien haben ergeben, dass ältere Menschen vorwiegend ein Gerät benötigen, dass sie vorwiegend selbständig, ohne Anleitung und externe Hilfe, bedienen können.

elisa Tablet

Um dieser Anforderung gerecht zu werden gehen wir über die klassische Entwicklung einer Software-Anwendung hinaus. Mit elisa realisieren wir ein Tablet, dessen Möglichkeiten von älteren Menschen begreifbar sind und über dessen Design das Gerät mit einem eindeutigen Zweck verbunden wird. Dabei achten wir insbesondere auf eine moderne ästhetische Formgebung bei der Tablet Hardware, die auch für jüngere Generationen ansprechend ist und nicht als stigmatisierende Betonung des Alters unserer Zielgruppe wahrgenommen wird.

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Elisa unterscheidet sich sowohl im Endgerät als auch im Aufbau der grafischen Oberfläche von Tablets, die aktuell auf dem Markt erhältlich sind. Entgegen dem Trend eine möglichst dünne Display-Fassung aus Glas und Aluminum anzubieten, sehen wir einen breiten Rahmen mit einem Bezug aus Leder vor. Ein breiterer Rahmen verfügt über ausreichend Platz für die Ablage der Hände, ohne dass die Finger die Touch-Oberfläche berühren und versehentlich eine Funktion auslösen können. Ein integrierter Standfuß und Tragegriff sorgen für Stabilität sowohl während der Bedienung am Tisch, als auch für einen sicheren Transport bei der Mitnahme des Tablets.

elisa User Interface

Mit dem elisa UI entsteht eine klar strukturierte grafische Benutzerschnittstelle, die eine nachvollziehbare Navigation und einen konsistente Darstellung und Ablauf für jeden Funktionsbereich vorsieht. Für den ersten elisa Prototypen wurden insgesamt zwei Layout-Varianten konzipiert – das Inhalts-zentrische und das Personen-zentrische Layout.

Beim Inhalts-zentrischen Layout liegt die Betonung auf dem Zugang zu aufbereiteten Inhalten aus dem Web, ausgewählt nach persönlichen Präferenzen. Die in Magazin-Stil dargestellten Inhalte sollen dazu anregen auf lokale Interessengruppen und deren Aktivitäten aufmerksam zu werden, daran aktiv teilzunehmen und Gleichgesinnte dazu einzuladen.

Bei der Personen-zentrischen Gestaltung der elisa UI steht hingegen die soziale Interaktion mit Familie und Freunden im Vordergrund. Mit dem Ziel über aktuelle Geschehnisse von Vertrauten selbst bei großer örtlicher Entfernung auf dem Laufenden zu bleiben und die Möglichkeit zu bieten Personen mit gleichen Interessen zu finden oder verlorene Kontakte wieder herzustellen. Durch die Integration von bestehenden sozialen Netzwerken kann eine Brücke zur jüngeren Generation entstehen.

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Bei der elisa UI nehmen wir bewusst Abstand von der gegenwärtig dominierenden App-Metapher von Smartphones und Tablets. Unseren Beobachtungen zufolge werden Apps als inkonsistent in ihrem Funktionsumfang und grafischer Gestaltung wahrgenommen. Darüber hinaus setzen die verfügbaren Produkte voraus, dass der Endanwender administrative Aufgaben, wie z. B. die Installation und Konfiguration, selbständig übernehmen kann. Eine weitere Hürde für ältere Menschen ist oftmals die wiederholte Registrierung von Benutzerkonten für jede (Web-)Anwendung, bevor sie in den vollständigen Genuss der jeweiligen Funktionalität kommen.

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In SI-Screen steht der Nutzen und eine freudvolle Bedienung durch ältere Menschen an erster Stelle. Vor diesem Hintergrund haben wir für elisa Konzepte erarbeitet, um die unterschiedlichen Funktionen von Webdiensten über eine einheitliche Benutzerschnittstelle zur Verfügung zu stellen und die notwendigen administrativen Aufgaben zu reduzieren oder zumindest auf ein Person des eigenen Vertrauens übertragen zu können. Idealerweise können ältere Menschen die Vorteile des Social Webs nutzen, ohne selbst eine Mitgliedschaft beim jeweiligen Dienst beantragen zu müssen. Die Einmalanmeldung und Konsolidierung der Inhalte und Funktionalität des Social Webs verwirklichen wir über den sogenannten Social Software Integration Layer (SSIL).

Social Software Integration Layer

Der SSIL ist eine Server-basierte Software-Lösung, die elisa unterstützt mehrere Dienste des Social Webs über eine einheitliche Schnittstelle anzubinden. Zu diesem Zweck verdichtet der SSIL Profil-Informationen, Activity Streams (Status Updates) und Content Streams (Kommentare, Empfehlungen, Photos) von bestehenden SNS[ref]In elisa werden bspw. Facebook und Google+ als SNS unterstützt.[/ref], Social Content Sharing Plattformen[ref]In elisa werden bspw. Flickr und Picasa als Social Content Sharing Plattformen unterstützt.[/ref], Gruppenkalender[ref]In elisa wird bspw. Google Calender als Gruppenkalender unterstützt.[/ref] sowie Web Feeds[ref]In elisa werden bspw. Web Feeds von Artikel- oder Event-Webseiten bezogen.[/ref], Mailing-Listen und persönliche Blogs. Der SSIL verfügt über keine Benutzerschnittstelle, sondern ermöglicht elisa den Bi-Direktionalen Zugriff auf das Social Web.

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CommunityMashup

Für die Realisierung des SSIL setzen wir auf CommunityMashup, eine Personen-zentrische Mashup-Lösung die an der Forschungsgruppe Kooperationssysteme realisiert wird. CommunityMashup ist eine Service-orientierte Middleware, welche für jeden Endanwender Inhalte aus den verschiedenen SNS bezieht, zu einem einheitlichen Datenstrom (Awareness-Stream) verdichtet und anschliessend den elisa Tablets über eine REST API bereitstellt.

Um etwaige Zugangsbarrieren für technisch unerfahrene Senioren zu senken, wurde CommunityMashup um die Möglichkeit erweitert die Konfiguration von der Inhaltsbereitstellung zu trennen. Auf diese Weise erhalten ältere Menschen den Zugang zum Social Web, während die bereitstellenden Webdienste und deren Konfiguration vom Endanwender verborgen bleiben.

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Profile Admin UI

Die Konfiguration der Dienstzugriffe erfolgt über die Profile Admin UI. Mit Hilfe der Profile Admin UI können Vertrauenspersonen mittels Fernzugriff die administrativen Aufgaben für den Endanwender übernehmen. Konkret können Dritte im Bedarfsfall über eine Administrations-Webseite (temporär) dazu berechtigt werden, Benutzerzugänge zu bestehenden oder neuen E-Mail-Konten bzw. Web-Diensten im SSIL zu hinterlegen.

Auf diese Weise können ältere Menschen über ihre Einmalanmeldung auf ihrem elisa Tablet Zugriff auf die unterschiedlichen Dienste erlangen, ohne selbst einen Registrierungsvorgang durchführen zu müssen. Versierte Nutzer können weiterhin die Konfiguration von elisa übernehmen, sind aber ungezwungen und können zumindest einen Teil davon abgeben.

Service Integration

Unabhängig von der Administration können Familienmitglieder und Freunde mit Zugang zu sozialen Netzwerken einem elisa Nutzer Zugriff auf die eigenen Aktivitäten und publizierten Inhalte, wie Fotos oder geteilte Informationen, gewähren. Für Plattformen mit API-Key- oder OAuth-Unterstützung, wie z. B. Facebook oder Google+, ist für den Zugriff von elisa auf diesen Awareness-Stream keine Mitgliedschaft notwendig. Elisa ist bei ausgewählten Webdiensten als Anwendung registriert und mit Erlaubnis eines Mitglieds können Inhalte mit dem jeweiligen elisa Anwender geteilt werden.

Die Integration von Web-Diensten mittels SSIL geht über die Unterstützung von sozialen Netzwerken hinaus. Internetauftritte von lokalen Veranstaltern wie Theater, Museen, Kirchen Vereine oder Verbände, sowie Veröffentlichungen von Zeitungen oder Nachrichtenagenturen können beispielsweise über Web Feeds oder vergleichbare Datenquellen angebunden werden. Alternative Publikationsformen wie Newsletter werden in Zukunft über CommunityMashup ebenfalls unterstützt und können anschliessend abonniert werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Ziel von SI-Screen ist die Realisierung eines Tablet Computers, der Inhalte und Funktionen über eine einheitliche und freudvolle Benutzerschnittstelle für ältere Menschen bereitstellt und zu sozialer Kommunikation und Aktivitäten im realen Leben anregt. Durch Übertragung der administrativen Vorgänge an Vertrauenspersonen können Senioren in die Vorzüge des Sozialen Webs gelangen, selbst wenn sie keine oder wenig Erfahrung im Umgang mit Computern haben.

Der erste Prototyp, eine klick-bare Demo-Anwendung der elisa UI, wurde im Januar 2012 fertig gestellt. In März und April 2012 wurden Senioren in Spanien und Deutschland zu den Hardware Designs und den beiden Layout-Varianten der grafischen Oberfläche befragt. Das Feedback fliesst in das gegenwärtige Design und Entwicklung des zweiten Prototypen ein. Über einen ISO 9241-9 Ergonomie-Test wird im Mai die Gebrauchstauglichkeit potentieller Tablet Computern evaluiert, deren Komponenten im zweiten Prototypen verarbeitet werden.

Danksagung

Dieser Beitrag steht im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt SI-Screen, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, und Forschung (Förderkennzeichen 16SV3982), sowie durch das Europäische AAL Joint Programme (AAL-2009-2-088) gefördert wird. Das Vorhaben wird von einem Zusammenschluss aus zehn internationalen Partnern durchgeführt und von der Innovationsmanufaktur GmbH (ehemals SportKreativWerkstatt GmbH) koordiniert. Das Hardware-Design und Prototyping des elisa Produkts wird von Porsche Design Studio entwickelt. Die visuelle Gestaltung des Artikelbildes und der elisa UI erfolgt durch helios.bz. Die Koordination der Produkt- und Systementwicklung sowie die Integration von Social Software obliegt der Universität der Bundeswehr München. Weiterführende Informationen zu SI-Screen sind verfügbar unter http://www.si-screen.eu.

Über Martin Burkhard

Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Kooperationssysteme mit den Schwerpunkten Soziotechnische Integration und mobile ubiquitäre Benutzerschnittstellen für Kooperationssysteme.
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1 Antwort zu SI-Screen: elderly interaction & service assistant

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