Gamification – Steigerung der Nutzungsmotivation durch Spielkonzepte

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In diesem Beitrag wird das Konzept der Gamification oder Spielifizierung[ref]Für den Neologismus „Gamification“ existiert bisher keine idiomatische Übersetzung in der deutschen Sprache. Am nächsten kommt dem Tenor von Gamification in den Auffassung der Autoren die Wortschöpfung „Spielifizierung“.[/ref], also der Steigerung von Nutzungsmotivation durch den Einsatz von Spielkonzepten, kurz vorgestellt. Nach einer Gegenüberstellung exemplarischer Definitionen und einer kurzen Begriffsabgrenzung gehen wir vor allem auf spieletypische Mechanismen ein, die auch in anderen Kontexten (z. B. im Unternehmen) benutzt werden könnten. Anschließend listen wir einige Anwendungsbeispiele aus verschiedenen Domänen auf. Dieser Beitrag bietet einen ersten Einblick in das Thema Spielifizierung. Nachfolgende Beiträge werden darüber hinaus theoretische Grundlagen und konkrete Anwendungsszenarien vorstellen

Einführung

Die Psyche des Menschen ist seit jeher auf Wettbewerb mit anderen Individuen ausgelegt. Daher wundert es nicht, dass Menschen gern solche Tätigkeiten vollführen, bei denen sie sich mit anderen messen können. Bisher kannte man solchen Wettbewerb jedoch hauptsächlich in Spielen oder sportlichen Wettkämpfen. Doch immer mehr wird dieser motivationssteigernde Mechanismus auch in anderen Kontexten eingesetzt. Neben dem Wettbewerb finden sich in Spielen noch andere Mechanismen, welche die Motivation mitzumachen steigern. Um den Einsatz dieser Mechanismen geht es bei der Spielifizierung. Spielifizierung oder Gamification ist also ein Weg, diese Motivationssteigerung in spielfremden Kontexten, wie z. B. beim Wissensmanagement in Unternehmen, zu erzielen. Dazu werden Elemente aus Spielen entnommen und in anderen Umgebungen eingesetzt, um z. B. Mitarbeiter zu motivieren und ihren Spaß an der Arbeit zu erhöhen.

Gamification-Definitionen

Breuer (2011 [ref]Breuer, Markus (2011): Was ist Gamification?, URL: http://intelligent-gamification.de/2011/05/11/was-ist-gamification/, zuletzt abgerufen am 21.12.2011.[/ref]) definiert Spielifizierung beispielsweise als:

[…] die Verwendung von spieltypischen Mechaniken außerhalb reiner Spiele, mit dem Ziel, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen.

Weitere Definitionsansätze in der meist englischsprachigen Literatur zum Begriff Gamification sind u.a.:

  • „use of game design elements in non-game contexts“ (Deterding, Khaled, Nacke & Dixon, 2011 [ref]Deterding, Sebastian; Khaled, Rilla; Nacke, Lennart; Dixon, Dan (2011): Gamification: Toward a Definition, Proc. Workshop on Gamification at the ACM Intl. Conf. on Human Factors in Computing Systems (CHI).[/ref])
  • „the use of features and concepts (e.g. points, levels, leader boards) from games in non-game environments, such as websites and applications, in order to attract users to engage with the product“[ref]Macmillan Dictionary: Definition of Gamification, Macmillan Publishers Limited, URL: http://www.macmillandictionary.com/open-dictionary/entries/gamification.htm,  zuletzt abgerufen am 12.10.2011.[/ref]
  • „using game-based mechanics, aesthetics and game thinking to engage people, motivate action, promote learning, and solve problems“ (Kapp, 2012 [ref]Kapp, Karl M. (2012): The Gamification of Training: Game-Based Methods and Strategies for Learning and Instruction, San Francisco: Pfeiffer & Co., John Wiley & Sons.[/ref])
  • „a design strategy primarily employed to drive engagement with a service“ (Fitz-Walter & Tjondronegor, 2011 [ref]Fitz-Walter, Zachary; Tjondronegoro, Dian (2011): Exploring the Opportunities and Challenges of Using Mobile Sensing for Gamification. Proc. Ubicomp 2011 Workshop on Mobile Sensing: Challenges, Opportunities and Future Directions. New York: ACM Press.[/ref])

Es geht also um den Einsatz spieltypischer Mechanismen (oder im Englischen „Game Mechanics“) wie Erfahrungspunkte, Orden oder Ähnliches „außerhalb reiner Spiele“, z. B. in Geschäftssoftware, in E-Commerce-Angeboten oder in anderen Bereichen, die augenscheinlich sehr wenig mit Spielen zu tun haben. Durch die Integration der Spielelemente sollen die Nutzer motiviert werden, mehr oder länger mit dem Produkt oder Service zu arbeiten, als sie das ohne die Spielelemente gemacht hätten.

Theoriefundierung

Eine theoretische Fundierung finden die Ansätze der Spielifizierung in Theorien aus der Psychologie, die versuchen das menschliche Verhalten und Beeinflussungsmöglichkeiten dazu zu erklären. Zu den wichtigsten Theorien, die einen Beitrag zur Erklärung der Funktion von Spielmechanismen geben, gehören:

  • Bedürfnispyramide von Maslow (1943 [ref]Maslow, Abraham (1943): A Theory of Human Motivation, Psychological Review 50 (1943), S. 370-396.[/ref])
  • E-R-G-Theorie von Alderfer (1969 [ref]Alderfer, Clayton (1969): An Empirical Test of a New Theory of Human Needs, Organizational Behavior and Human Performance. 1969, Bd. IV.[/ref])
  • Zielsetzungstheorie von Locke und Latham (1990 [ref]Locke, E. A., Latham, G. P. (1990): A Theory of Goal-Setting and Task Performance, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.[/ref])
  • Flow-Theorie von Csikszentmihalyi (1975 [ref]Csikszentmihalyi, Mihaly (1975): Beyond Boredom and Anxiety – The Experience of Play in Work and Games, Jossey-Bass.[/ref])
  • Balance-Theorie von Adams (1965 [ref]Adams, J. S. (1965): Inequity in social exchange. In: L. Berkowitz (Ed.): Advances in experimental social psychology.[/ref])
  • Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993 [ref]Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, Bd. 39.[/ref])

Eine ausführlichere Behandlung der theoretischen Hintergründe liefern wir demnächst in einer erweiterten Version dieses Beitrags.

Begriffsabgrenzung

Spielifizierung wird häufig in engem Zusammenhang mit Mensch-Maschine-Interaktion (Human Computer Interaction, HCI) diskutiert. Neben dem Wissenschaftsbereich der Mensch-Maschine-Interaktion wird Spielifizierung im Kontext von „Serious Games“ oder „Edutainment“ verwendet. Im wissenschaftlichen Diskurs sollte hier allerdings eine genauere Abgrenzung erfolgen, um die ursprüngliche Intention hinten den Begriffen zu berücksichtigen.

Gamification

Gemäß der oben genannten Definition wird Spielifizierung eingesetzt, um Menschen zu motivieren, ein bestimmtes Produkt zu benutzen und den Anwender an dieses Produkt zu binden. Spielifizierung wird also innerhalb eines Produkts verwendet, um dessen Nutzung zu proklamieren. Diese Intention unterscheidet Spielifizierung von den Einsatzgebieten Serious Games und Edutainment.

Serious Games

Für Serious Games gibt es bislang keine einheitliche Definition, sondern lediglich einige Hauptmerkmale zur Chrakaterisierung.[ref]Vgl. hierzu auch http://www.nordmedia.de/…/serious_games_conference/netzwerk/ueber_serious_games/index.html.[/ref] Grundsätzlich handelt es sich bei Serious Games um Spiele oder spielähnliche Anwendungen, die mit Technologien und Design aus dem Unterhaltungssoftwarebereich entwickelt werden und nicht primär bzw. ausschließlich der Unterhaltung dienen (Marr, 2010 [ref]Marr, Ann C. (2010): Serious Games für die Informations- und Wissensvermittlung – Bibiliotheken auf neuen Wegen. In: B.I.T.online – Innovativ, Band 28. Wiesbaden: Dinges & Frick GmbH, S. 16.[/ref]).

Das Erlernen von neuen Fähigkeiten und Kompetenzen stellt in einem Serious Game einen zentralen Bestandteil dar. Zudem sind Lerninhalte und Lernaufgaben in der Spielwelt integriert (Lampert, Schwinge & Tolks, 2009 [ref]Lampert, Claudia; Schwinge, Christiane; Tolks, Daniel (2009): Der gespielte Ernst des Lebens: Bestandsaufnahme und Potenziale von Serious Games (for Health). In: Themenheft Nr. 15/16 MedienPädagogik – Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung: Computerspiele und Videogames in formellen und informellen Bildungskontexten.[/ref]). Absicht ist es also neue Fähigkeiten spielerisch zu vermitteln und zu trainieren.

Edutainment

Edutainment ist ein Kunstwort, welches aus Education und Entertainment besteht (Kohlmann & Sleegers, 2005 [ref]Pohlmann, Horst; Sleegers, Jürgen (2005): Der Computer als Lehrer. Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/themen/J2QMAW,1,0,Der_Computer_als_Lehrer.html, zuletzt abgerufen am 21.12.2011[/ref]). Im Gegensatz zu Serious Games liegt beim Edutainment, das auch als „Game Based Learning“ bezeichnet wird, der Fokus auf der reinen Wissensvermittlung. Der Spielteil kommt lediglich als Belohnung im Anschluss an das Lernen zum Einsatz.[ref]Vgl. hierzu beispielsweise http://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/methoden/lernspiele/game_based_learning/.[/ref] Das Lernen wird so mit unterhaltenden Elementen verbunden, was beispielsweise bei interaktiven Sprachkursen genutzt wird. Populäre Beispiele aus dem Fernsehprogramm sind u.a. Sesamstraße oder Sendung mit der Maus.

Spieletypische Mechanismen

Zu spieletypischen Mechanismen, die als motivationsfördernd angesehen werden und in der englischen Literatur meist als „Game Mechanics“ bezeichnet werden, existieren verschiedene Zusammenstellungen im Netz.[ref]Vgl. z. B. die relativ umfangreiche Zusammenstellung des Gamification Wikis zu Game Mechanics: http://gamification.org/wiki/Game_Mechanics.[/ref] Für diese Kurzeinführung in die Thematik haben wir verschiedene Sichtweisen konsolidiert bzw. strukturiert und sind dabei zu folgender Liste von wichtigen Spielelementen gekommen:

Sichtbarer Status

Der erreichte Status wird in Spielen auf verschiedenste Arten abgebildet, z. B. in Form von Titel bzw. Listen von Titeln, Achievements oder vor allem sog. „Badges“. Das Grundprinzip ist bei all diesen Arten gleich: Sie präsentieren nach außen, dass der Spieler ein bestimmtes Ziel bzw. Level erreicht oder verschiedene Aufgaben erfüllt hat. Durch die Präsentation wird ein Vergleich mit anderen möglich, was insbesondere den Wettbewerb fördert.

Einsehbare Rangliste

Durch das direkte Gegenüberstellen der Spieler in einer Rangliste wird das Element des Wettbewerbs noch verstärkt. Notwendig ist dazu eine Vergleichbarkeit der verschiedenen möglichen Achievements, z. B. über eine Abbildung auf metrische Punkteskala. Dieses Spielelement wird häufig mit verschiedenen Belohnungssystemen verbunden. Zum einen eine stetige Belohnung bei Level-Aufstieg, aber auch Belohnungen durch das Erreichen bestimmter Level-Grenzen oder das Belohnen von Top Spieler der Rangliste.

Quests

Entdeckbare Aufgaben, die häufig als „Quest“ bezeichnet werden, sind bestimmte, über ihr Ziel klar definierte Rätsel oder Fleißaufgaben, die der Spieler meist in einer bestimmten Zeit lösen muss. Die Lösung der Aufgabe kann alleine oder als Gruppe geschehen. Quests sind meist so ausgelegt, dass der Spieler durch sie an Erfahrung gewinnt um immer komplexere Quest zu bewältigen. Je nach Umsetzung hat der Spieler selbst die Wahl welche der gestellten Quests er erfüllen möchte (Auswahlfreiheit).

Resultatstransparenz

Wenn der Spieler die (möglichen) Resultate seines Handelns kennt, kann dies seine Handlungsmotivation entscheidend steigern. Im Spiel können hierfür Belohnungen Erfahrungspunkte, Preise und Auszeichnungen verwendet werden. Darüber hinaus kann auch das Wissen Transparenz schaffen, dass das eigene Handeln zu einem größeren Ziel beiträgt (siehe auch „Epic Meaning“). Grundsätzlich sollte das Handeln des Spielers auf drei Arten belohnt werden, um Transparenz zu schaffen: kontingent, resonant und bestärkend.

Rückmeldung

Der Spielmechanismus „Feedback“ als Rückmeldung bezüglich einer Aktivität des Spielers, ist ein Sammelbegriff für alle Game Mechanics, die das Handeln des Nutzers für ihn sichtbar bewerten. Da die Bewertung meist unmittelbar nach der eigentlichen Handlung erfolgt, wird eine intensive „actio et reactio“-Erfahrung vermittelt. Entsprechend setzt der Spieler die gewonnene Erfahrung in neue oder angepasste Handlungsweisen um, damit er negative Feedbacks vermeiden kann und durch seine Umwelt in Form von positiver Rückmeldungen bestätigt wird. Dabei entscheidet ausschließlich der Spieler selbst, ob das konkrete Feedback für ihn von Nutzen ist oder ihn nicht weiterbringt.

Epic Meaning

Spieler handeln zielorientiert und können durch sinnvolle Ziele motiviert werden. Das Element Epic Meaning beschreibt in diesem Zusammenhang das Arbeiten an etwas (in den Augen des Spielers) Großartigen oder Erstrebenswerten. Hierbei spielt einerseits das Ziel eine wesentliche Rolle, andererseits geht es für Spieler auch darum, Teil der vollbringenden Gruppe zu sein, da Handlungen „epischen Ausmaßes“ oft nicht alleine durchführbar sind.

Fortschrittsanzeige

Bei einer Fortschrittsanzeige handelt es sich um eine dynamische Anzeige, welche den Erfolg während der Durchführung einer Aufgabe visualisisert. Normalerweise wird sowohl der bisherige Fortschritt der Arbeit als auch der noch zu erledigende Teil gezeigt. Neben den i.d.R. verwendeten Fortschrittsbalken kann die Darstellung des Fortschrittes auch in Form von Kreisen, Pyramiden oder Prozentanzeigen erfolgen.

Community Collaboration

Hierbei handelt es sich um die Eigenschaft eines Spiels, mithilfe derer eine größere Gruppe von Spielern (im Extremfall die gesamte Community) zur Lösung eines Rätsel oder eines Problems zusammengebracht werden soll. Hierzu werden innerhalb des Spiels oftmals Aufgaben oder Quests gestellt, die darauf abzielen verschiedene Teilnehmer zur Zusammenarbeit (Collaboration) zu motivieren, sodass diese miteinander kommunizieren und so über das Spiel immer weitere Kontakte geknüpft werden.

Cascading Information

Cascading Information sieht vor, dass einem Spieler nur bestimmte, für die aktuelle Aufgabe (vgl. auch Quests) notwendige Informationen mitgeteilt werden. Dies geschieht primär, um den Spieler nicht zu überfordern, sondern ihn auf einem angebrachten Informationslevel zu halten. Entsprechend sollten die sukzessive weitergereichten Informationen immer nur geringen Umfang aufweisen. Das Spielkonzept wird insbesondere bei Lernspielen eingesetzt, um dem Lernenden kontinuierlich und aufeinander aufbauend Informationen zu vermitteln, die ihn im Spielverlauf weiterbringen ohne spätere Lerninhalte vorwegzunehmen.

Beispiele aus der Praxis

Bei einer Google-Suche zu Gamification stolpert man bereits über viele Beispiele , wie Gamification in der Praxis ein- bzw. umgesetzt wird. Wir wollen hier nur ein paar davon auflisten, geordnet nach Anwendungsbereichen. Weitere Informationen zu einzelnen Bereichen folgen dann in zukünftigen Artikeln.

Business Software

Umweltschutz / Gesundheit

Lernen[ref]Für die weiterführende Diskussion zu Gamification im Bereich E-Learning vgl. auch http://elearnmag.acm.org/archive.cfm?aid=2031772.[/ref]

E-Commerce

Résumé

Dieser Artikel liefert eine erste Einführung zum Begriff Spielifizierung bzw. Gamification. Die Ansätze, die hinter Spielifizerung stecken, sind natürlich nicht komplett neu. Erste Versuche, Heuristiken zur Erstellung von angenehm zu benutzenden Benutzungsoberflächen („Enjoyable Interfaces“) zu entwerfen, gehen in die frühen 1980er zurück.[ref]Vgl. hierzu z. B. Malone, Thomas (1980): What Makes Things Fun to Learn? Heuristics for Designing Instructional Computer Games, In: Proceedings of the 3rd ACM SIGSMALL Symposium and the 1st SIGPC Symposium on Small Systems, sowie Malone, Thomas (1982): Heuristics for Designing Ejoyable User Interfaces: Lessons from Computer Cames, In: Proceedings of the Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI’82).[/ref] Nach dem Erfolg von Webdiensten mit entsprechend integrierten Spielelementen wie z. B. Foursquare hat das Gebiet in den letzten Jahren enorm an Attraktivität gewonnen (Zichermann& Linder, 2010 [ref]Zichermann, Gabe; Linder, Joselin (2010): Game-Based Marketing: Inspire Customer Loyalty Through Rewards, Challenges, and Rewards. San Francisco: John Wiley & Sons.[/ref]). Im Januar 2011 fand zum ersten Mal unter dem Label „Gamification Summit“ eine eigene Konferenz zum Forschungsbereich in San Francisco statt. Spielifizierung ist jedoch auch nicht unumstritten. Die Spieldesignerin Margaret Robertson kritisiert beispielsweise, dass spielifizierte Anwendungen den falschen Eindruck erwecken, es gebe einen einfachen Weg, ein Produkt mit psychologischen, emotionalen, und sozialen Kraft eines guten Spiels zu versehen (Robertson, 2011 [ref]Robertson, Margaret (2011): Can’t Play, Won’t Play, URL: http://www.hideandseek.net/cant-play-wont-play, zuletzt abgerufen am 27.12.2011.[/ref]). Auch Sebastian Deterding (2011) resümiert, das Übernehmen von Spielelementen sei noch keine „schlüsselfertige“ Lösung zur sofortigen Nutzermotivation.[ref]Deterding, Sebastian (2011): Das Leben ist ein Spiel, t3n-magazin, Ausgabe 24, URL: http://t3n.de/magazin/leben-spiel-227541/.[/ref]

Danksagung

Die Grundlagen für dieses Papier wurden zwischen Oktober und Dezember 2011 im Kurs Mensch-Computer-Interaktion an der Universität der Bundeswehr München gelegt. Mit Beiträgen beteiligt waren die folgenden Kursteilnehmer: Sebastian Aehle, Marcel Bassuener, Marcus Eckert, Karsten Fischer, Benjamin Hoffmann, Dominik Holzapfel, Andreas Krüger, Christian Marciniak, Stephan Mehner, Venera Pjetraj, Manuel Rosenau, Markus Rothmann, Markus Schran, Steffen Schurig und Steve Wandschneider.

Vergleich von Definitionen für Natural User Interfaces

Natürliche Benutzerschnittstellen (engl. „Natural User Interfaces“, kurz NUI) stellen nach der Ära der Kommandozeilenbedienung und der grafischen Benutzeroberflächen eine neue Generation der Mensch-Computer Interaktion (engl. „Human-Computer Interaction“, kurz HCI) dar

Die erste Generation der HCI waren Command-Line Interfaces (CLI). Auf einer monochromen Darstellungsfläche konnte der Benutzer durch eine vorgegebene Menge von Befehlen Manipulationen am System oder den Dateien, die das System enthält, vornehmen. Dabei erforderte diese Form der Interaktion eine strikte Einhaltung der Syntax eines Befehls, sodass der Nutzer nur mit dem Wissen über die verfügbaren Befehle und unter erhöhter Konzentration zur Einhaltung der syntaktischen Vorgaben Manipulationen vornehmen konnte. Die Eingabe erfolgte ausschließlich über eine Tastatur.

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Die zweite Generation der Benutzerschnittstellen sind die heute weit verbreiteten grafischen Benutzerschnittstellen (GUI). Neben einer größeren Farbvielfalt sorgten besonders einge Metaphern in der Gestaltung der Darstellung dafür, dass die Bedienung eines Computers deutlich vereinfacht und somit für eine breitere Nutzergruppe zugänglich wurde. So haben die Desktopmetapher, welche die Oberfläche, auf der der Nutzer interagiert einem Schreibtisch nachempfindet und das WIMP-Prinzip, dass die Zusammensetzung der grafischen Komponenten in Fenster (engl. Windows), Symbole (engl. Icons), Menüs (engl. Menus)  und Zeiger bzw. Zeigegeräte (engl. Pointer bzw. Pointing Device) einführte bis heute Bestand. Häufig werden Maus und Tastatur zur Interaktion genutzt.

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Die dritte Generation der Benutzerschnittstelle, die erst seit wenigen Jahren unter diesem Begriff eine eigene Entwicklungsrichtung der Gestaltung der HCI darstellt, sind Natural User Interfaces (NUI). Die Gestaltung der Darstellung und der Interaktion solerfolgt hier auf natürliche und intuitive Weise, indem auf Fähigkeiten zurückgreifen wird, die ein Nutzer im Laufe seines Lebens erworben hat. Die Interaktionsmechnismen sind vielfältig und verfolgen unterschiedliche Ansätze, die von Touchscreens über eine Steuerung durch spezielle Zeigegeräte wie der WiiRemote bis hin zu einer Gestensteuerung mit dem gesamten Körper reichen.

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Anders als bei den beiden schon seit mehreren Jahrzehnten etablierten Formen der HCI gibt es jedoch wegen der dynamischen Entwicklung im Forschungsfeld NUI innerhalb der vergangenen beiden Jahre noch keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition. Nachfolgend werden einige Definitionen vorgestellt, deren enthaltene Ansichten beschrieben und miteineander verglichen werden, um das derzeitige vorherrschende Verständnis von NUI in Wissenschaft und Praxis aufzuzeigen.

Überblick über existierende Definition

Einige der bereits existirenden Definition beziehen sich auf unteschiedliche Konzepte und Theorien und gewichten gemeinsame Aspekte verschieden. Folgende Beispiele verdeutlichen diesen Sachverhalt:

Blake 2010:

A natural user interface is a user interface designed to reuse existing skills for interacting directly with content. [Blake 2010, S. 2][ref]Blake, Joshua (2010): The Natural User Interface Revolution. In: Natural User Interfaces in .Net, 1. Auflage, Greenwich, USA: Manning Publications.[/ref]

Diese Definition von Joshua Blake enthält folgende Aspekte:

  1. Ein NUI ist „designed“. Es bedarf also einer gezielten Gestaltung eines Interaktionmechnismus durch den Entwickler, sodass die Form der Interaktion sowohl für den Nutzer, als auch für den Inhalt und den Kontext geeignet ist.
  2. Ein NUI baut auf dem „reuse of existing skills“ auf. Es ermöglicht also die Wiederverwendung von Fähigkeiten, die der Nutzer im Laufe seines Lebens (z.B. bei der zwischenmenschlichen Kommunikation) erworben hat und die es ihm erlauben ein NUI ohne vorherige Anleitung zu nutzen.
  3. Ein NUI erlaubt „interacting directly with the content“. Der Nutzer muss also die Möglichkeit haben, Inhalte direkt durch sein Handeln zu manipulieren.

Bollhoefer et al. 2009:

Ein Natural User Interface (NUI) beschreibt ein Interface, welches unmittelbar durch einen oder mehrere Sinne des Benutzers bedient wird. [Bollhoefer et al. 2009, S.6][ref]Bollhoefer, Klaas Wilhelm; Meyer, Kerstin & Witzsche, Rosina (2009): White Paper Microsoft Surface und das Natural User Interface ( NUI ). , Berlin.[/ref]

Bei dieser Definition eines NUI stellen Bollhoefer et al. folgende Aspekte heraus:

  1. Die unmittelbare, direkte Interaktion und damit auch eine direkte Manipulation.
  2. Die Nutzung eines oder mehrerer Sinne des Benutzers.

Monson-Haefel 2010:

A Natural User Interface is a human-computer interface that models interactions between people and the natural environment. [Monson-Haefel 2010][ref]Monson-Haefel, Richard (2010): NUI Defined. URL: http://theclevermonkey.blogspot.com/2010/01/nui-defined.html. Letzter Abruf: 12.07.2011.[/ref]

Richard Monson-Haefel stellt also folgende Aspekte heraus:

  1. Ein NUI ist eine besondere Ausprägung von HCI.
  2. Ein NUI bildet die Interaktion eines Nutzers mit seiner natürlichen Umgebung (Wasser, Bäume, etc.), nicht jedoch mit seiner künstlichen Umgebung (Autos, Computer) ab.

Vergleich der Definitionen

Autor Blake 2010
Bollhoefer et al. 2009
Monson-Haefel 2010
Gemeinsamkeiten direkte Manipulation
Unterschiede
  • designed für Nutzer, Inhalt und Kontext
  • Nutzung von Fähigkeiten zur Interaktion
  • Nutzung der Sinne zur Interaktion
  • Abbildung des natürlichen Nuterverhaltens zur Interaktion

Aus der Tabelle geht hervor, dass lediglich die direkte Manipulation von Inhalten durch die Benutzerinteraktion als gemeinsames Merkmal aller drei Definitionen auftritt. Außerdem beantworten alle Definitionen die Frage, womit aus Sicht des Nutzers interagiert wird (Fähigkeiten, Sinne, natürliches Verhalten), gehen jedoch auf keine konkrete Ausprägung von dieser Interaktion, wie beispielsweise Multi-Touch Interfaces (z.B. MS Surface[ref] Weitere Informationen zum Microsoft Surface sind erhältlich unter http://www.microsoft.com/surface/en/us/default.aspx [/ref], Apple iPhone[ref]Weitere Informationen zum Apple iPhone sind erhältlich unter http://www.apple.com/de/iphone/[/ref], etc.), Gestensteuerung (MS Kinect[ref]Weitere Informationen zu Microsoft Kinect sind erhältlich unter http://www.xbox.com/de-DE/Kinect[/ref], etc.), gerätevermittelte Interaktion (Nintendo WiiRemote[ref]Weitere Informationen zur Nintendo WiiRemote sind erhältlich unter http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/systems/technische_details_1072.html[/ref], Air Mouse Konzepte[ref]Ein Beispiel hierfür ist die Logitech MX Air[/ref], etc.) ein.

Fazit

Es existieren bereits einige Definitionen von „Natural User Interface“, die zum Teil Überschneidungen zeigen, zum Teil jedoch auch sehr unterschiedlich Ansätze verfolgen. Daher besteht im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses mit der Materie die Notwendigkeit, eine Definition abzuleiten, die sowohl die Aspekte bereits existierender Definitionen aufgreift, als auch für zukünftige Entwicklungen im Umfeld der NUI ihre Gültigkeit behält.